#SchnappStich
Schreibe einen Kommentar

Blausterne auspacken im Minutentakt

Wenn ich zu den Bienen gehe, ver­ges­se ich die Zeit. Ich lau­fe durch Bäume und Gestrüpp mit­ten in Berlin, kom­me am Platz an; und jetzt end­lich bei Plustemperaturen sehe ich sie wie­der flie­gen. Sie haben die Toten aus dem Stock gebracht, ihn auf­ge­räumt und waren pin­keln. Jetzt für den Nachwuchs wer­den die Pollen der ers­ten Frühblüher gesam­melt und die Bienen mit den bun­ten Höschen am Flugloch ver­an­stal­ten die reins­te Haute Couture Show. Die Blausterne geben die­sen exqui­si­ten Indigoton, die Weiden das Hellgelb, die Krokusse das Orange… Und da die Temperaturen min­des­tens bis 18 Grad anstei­gen müss­ten, damit ich den Deckel lup­fen wür­de, lese ich mit dem Beobachten der Fliegerinnen und dem Check des Schiebers ab, was sich drin­nen Im Stock so alles abspielt. Wie stark der Flugverkehr ist, wo das Brutnest sitzt und wie groß es ist, wo der Honig ent­de­ckelt wird… Und neben dem Detektivspiel kommt auch das Amüsement nicht zu kurz. So tur­bu­lent die Bienen in Krokussen baden oder wie eine den noch geschlos­se­nen Blaustern zu öff­nen erobert — die wach­sen­de Aufregung des Frühlings ist spür­bar. Und schon sind zwei Stunden um. Ein Kurzbesuch.

Ich muss lachen, da ich mich erin­ne­re auf einer Website gele­sen zu haben, wo das öko­lo­gisch und ein­fa­che Bienenhalten eines Volkes mit einem effek­ti­ven Betreuungsaufwand von ca. 20 Stunden im Jahr bewor­ben wird. Und da ist sogar der Honigraub mit 4h ein­ge­rech­net. Also umge­rech­net 1,6 Stunden im Monat für das betreu­te Wohnen im Bienenstock? Selbst wenn die Winterruhe auf die Zeit im Sommer ver­dop­pelt wür­de… sport­li­ches Vorhaben für einen Anfänger. Da Effizienz ein Ziel ver­folgt — was könn­te das beim öko­lo­gi­schen Betreuen sein? Mir fällt dazu nur das Wohlergehen des Volkes ein. Alles ande­re wie über­schüs­si­gen Honigertrag ern­ten und Spaß dabei ist ja purer Eigennutz. Damit hät­te ich heu­te schon mein Pensum an effek­ti­ver Diagnose mit per­sön­li­chem Vergnügen weit über­schrit­ten. Ich stel­le mir vor, wie ein auf­ge­reg­ter Imkerfrischling die Durchsicht und Erweiterung im Frühjahr macht — Smoker anzün­den, dyna­misch den Deckel der Box abneh­men und nach­ein­an­der im Minutentakt die Rähmchen zie­hen — die­se Art des Bienenhaltens wür­de ich jedem emp­feh­len, der auf Sportwettkämpfe steht und sich dabei in regel­mä­ßi­gen Abständen mit Bienengift durch Stiche the­ra­pie­ren mag. Gibt es eigent­lich schon eine Imker-Olympiade? Gehört habe ich schon von Stammtischen, die sich mit den höchs­ten Honigerträgen brüs­ten, aber die Schnelligkeit wäre eine neue Disziplin. Vielleicht könn­ten sich die Athleten da was von den Bären abschauen.

Jetzt im Frühjahr fan­gen vie­le Kurse an, nach mei­ner Erfahrung und allen Anfängern, die ich beglei­ten konn­te: Fangt nicht mit dem Bienenhalten an, wenn ihr dafür nur 20 Stunden Zeit im Jahr habt! Das Lernen beginnt nach dem Kurs mit der Praxis. Die Gefahr ist sehr hoch, dass Überraschungen sei­tens der Bienen und des Jahreslaufes, Fragen und Fehler, Freude und Betreuung das vor­ge­nom­me­ne Zeitfenster weit über­schrei­ten. Die Beobachtungen und Planung zwi­schen den effek­ti­ven Eingriffen wird auch Zeit auf­fres­sen. Aber ich ver­spre­che — es wird süß wie Honig schmecken.

Kurse für wesens­ge­mä­ße Bienenhaltung im Prinzessinnengarten, Berlin
Mehr Informationen über die Blausterne unter Blühendes Berlin

Bild und Text: Silke Meyer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert