Hier in Berlin begann in der ersten Aprilwoche die Kirschblüte und für die Imker damit die Zeit der sogenannten Frühtracht. Der März war teilweise schon recht warm, die Bienenvölker haben sich gut entwickelt und „brummen“ jetzt an sonnigen Tagen förmlich. Obstbäume sind heute auf dem Land, von klassischen Obstanbauregionen abgesehen, leider ein immer geringerer Bestandteil der Frühtracht. Frühtracht auf dem Land, das waren früher klassisch Obstbäume, die ersten Blüten aus den Wildgehölzhecken, wie z.B. Schlehe und Löwenzahn.
Heute dominiert der intensive Rapsanbau die Landschaften. Viele betrachten die gelben Felder als romantisch und Raps ist wegen des hohen Nektar- und Pollengehaltes in der Tat eine sehr gute Frühtracht für Bienen. Problematisch an der Sache ist, dass inzwischen zu viel, zu großflächig und zu häufig nacheinander Raps angebaut wird. Und dass Raps unter solchen Voraussetzungen anfällig wird, einen hohen Schädlingsdruck bekommt und mit Pestiziden gespritzt wird. Diese Spritzungen erfolgen in mehreren Durchgängen, meist während der Blütezeit, und die Mittel führen zu einer enormen Belastung der Bienen und des Honigs. Übrigens: Leider fliegen auch Bio-Bienen konventionelle Felder an, die Bienen werden lediglich nach den verschiedenen Richtlinien der Bioverbände gehalten. Und es kommt für die Bienen noch schlimmer: Auf dem Land blüht nach dem Raps oftmals kaum noch was.
Gärtnern und Selbermachen ist in Mode und so gibt es im Moment auch eine kleine Renaissance der alten Obstsorten. Auf dem Land findet jedoch vielerorts gerade ein Wandel statt. Die großkronigen Streuobstbäume überaltern, werden nicht mehr ausreichend und auch nicht mehr fachmännisch gepflegt, die Dörfer wachsen, werden nachverdichtet. Früher hatte noch jeder Hof solche Bäume am und hinter dem Haus, die der Selbstversorgung und Vermarktung dienten und auf vielen Höfen gab es auch Bienen für die nötige Bestäubung. Hinzu kamen Streuobstanlagen, die an den Rändern oder außerhalb der Dörfer lagen. Viele davon sind bereits seit den 1960er Jahren verschwunden. Die Europäische Gemeinschaft förderte damals die Anlage von neuen, „modernen“ Obstplantagen mit Niederstämmen oder Spindelbäumen und bezahlte den Bauern Rodungsprämien zur Fällung der alten Streuobstbestände. Leider mit großem Erfolg: Wir haben heute weniger als 25% der Streuobstbestände vor 60 Jahren. Damit einher ging auch eine Bereinigung des Obstes auf wenige gängige Marktsorten, wo es früher noch eine Vielfalt klima- und standortangepasster, oftmals mehrhunderjähriger alter Sorten gab. Abhängig von dem sensorischen und kulinarischen Verlust für uns und dem Verlust von Schönheit in der Landschaft ist dies auch hochproblematisch für Bienen, Wildinsekten und Wildvögel.
Das Kulturerbe einer unglaublichen Sorten- und Geschmacksvielfalt
Obstbaumbestände wurden früher über möglichst lange Erntezeiträume angelegt, sodass sich die Ernte von Frühsorten über mittelspäte bis späte Sorten erstreckte. Allein die Erntedauer der Sommersorten der klassischen Kirschensaison umfasste acht Wochen, hinzu kamen weitere vier Kirschwochen für einzelne und oft lokale Sorten, die bis in den Herbst hinein reiften. Die Blütezeit einer solchen Sortenvielfalt erstreckte sich dann ebenfalls über viele Wochen. In Verbindung mit der erst nach den Kirschen einsetzenden Apfelblüte ergab sich für die Bienen und Wildinsekten eine sehr lange und reiche Tracht.
Obstbaumschnitt und ‑pflege
Auch in Städten wie Berlin finden sich unzählige Obstbäume in Gärten, Gartenanlagen und ‑kolonien. Hinzu kommen Wildsorten, z.B. Wildkirschen in Parks und oftmals sehr zahlreich entlang der Bahnstrecken. Es gibt sogar heute noch Berliner Straßen, in denen sie als Straßenbaum gepflanzt stehen. In vielen Gärten findet seit einigen Jahren ein Generationenwechsel statt. Für die früheren Generationen stand meist noch die Selbstversorgung im Vordergrund. Frisches Obst und Früchte waren früher noch nicht ganzjährig im Lebensmittelhandel im Angebot. Neben späten Lagersorten, wie bei Äpfeln und Birnen, wurde auch für den Winter eingekocht. Wenn diese Gärten durch die nächste und übernächste Generation übernommen werden, gibt es leider oft nicht das nötige Wissen für die Pflege der Obstbäume. Kein oder unsachgemäßer Schnitt führen dann dazu, dass alte Bäume innerhalb weniger Jahre degenerieren und eingehen. Obstbäume sind eine Kulturleistung. Sie brauchen fachgerechte Pflege, vom jahrelangen Kronenaufbau neu gepflanzter Bäume bis hin zur Pflege und zum Erhaltungsschnitt bei alten Bäumen. Ein Baum im Wald unterliegt anderen Gesetzen: Ein Obstbaum wird ohne Pflege nicht besonders natürlich, sondern irgendwann nur krank. Am besten, man lernt fachgerechten Obstbaumschnitt in einem Kurs. Diese finden meist im Winterhalbjahr statt.
Auch wenn wir in Berlin innerstädtisch Bezirke haben, in denen es wenige Obstbäume gibt und diese daher keine große Rolle spielen, weil die Frühtracht hier eher Spitzahorn und Rosskastanie bilden: Obstbäume, insbesondere Süßkirschen und Äpfel sind eine unersetzliche und hervorragende Nahrungsgrundlage für Bienen und Wildinsekten, sie haben mit 4/4 für Nektar und Pollen den höchsten Trachtwert. Für einen guten Ertrag sind Kirschen und Äpfel auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen, sie führt jedoch nicht nur zu einer größeren Ertragsmenge, sondern auch die Fruchtgröße und –qualität wird besser. Und die Blüten werden durch den Besuch der Insekten förmlich berührt: Sie erhöhen daraufhin die Nektarproduktion.
Herkunft und Verbreitung
Die Kulturformen der Kirsche stammen ursprünglich aus Kleinasien und dem Kaukasus und wurden durch die Römer nach Europa einführt und dann über die Alpen gebracht. Wild- oder Vogelkirschen (Prunus avium) kommen in Laub- und Nadelmischwäldern schon seit der Frühzeit vor, sie finden sich auch oft in Randlagen der Wälder.
Der Zuckerwert des Nektars in Kirschblüten ist hoch und das macht ihn so attraktiv für Bienen und andere Bestäuber: ca. 0,50 mg Zucker pro Blüte in 24 Stunden. Blühende Kirschbäume bei sonnigem Wetter summen, sie sind voll von Bienen. Und wer sich einmal die Zeit nimmt und die Nektarsammlerinnen unter den Bienen dabei beobachtet, mit wie viel Sorgfalt und Hinwendung sie sich in jede einzelne Blüte vertiefen, eine nach der anderen, wird ganz ruhig und demütig. Heimisch in Europa ist der Wildapfel (Malus sylvestris) – der Kulturapfel (Malus domestica) stammt ursprünglich aus Mittelasien, insbesondere wohl Kasachstan. Er wurde durch die Griechen und Römer in Europa kultiviert. Bereits die Römer kannten verschiedene Techniken zur Veredelung der Bäume. Auch die Blüten des Apfels weisen einen hohen Zuckerwert auf, produziert werden ca. 1,30 mg Zucker pro Blüte in 24 Stunden. Die Obstkultur und ‑verbreitung erfolgten maßgeblich durch die Klöster. Unabhängig davon, dass diese eigene Obstgärten anlegten und unterhielten, gaben sie ihr Wissen weiter und auch der überregionale Austausch von Sorten hat hier seinen Ursprung.
Kirschblütenhonig
Reinsortiger Kirschblütenhonig ist köstlich und selten. Er enthält den intensiven Duft der Kirschbäume, sortentypisch ist auch eine leichte Mandelnote. Wildkirschen blühen oft nur wenige Tage, Süßkirschbäume ein bis zwei Wochen. Die Ernte in einem solch kurzen Zeitfenster erfolgt daher über kleine Honigaufsätze.
Praktischer Hinweis
Bei Kirschen gibt es auch Ziersorten und Sorten mit gefüllten Blüten. Diese sind gärtnerisch beliebt und wunderschön anzusehen, liefern aber leider in den meisten Fällen keinen oder kaum Nektar und Pollen. Wie auch bei vielen anderen Blütenpflanzen gingen durch die Züchtung zusätzlicher Blütenblätter die Nektardrüsen und Staubgefäße verloren. Wer in seinem Garten etwas für Bienen und Wildinsekten tun möchte, sollte daher darauf achten, Bäume mit ungefüllten Blüten, also Süß- oder Wildkirschen, zu pflanzen. Auf das Thema umgefüllte und gefüllte Blüten werden wir in einem späteren Artikel noch einmal zurück kommen.
Tip N°6 Obstbäume
- Alte Obstbäume, Streuobstwiesen und Obstbaumanlagen erhalten und pflegen. Äpfel können, auch wenn man sie nicht frisch essen möchte, zu leckerem Apfelsaft vermostet werden.
- Neue Obstbäume pflanzen, insbesondere Süßkirschen und Äpfel. Macht Euch auf die Suche nach Baumschulen, die alte, lokale Sorten anbieten.
- Obstsorten über einen möglichst langen Blüh- und Erntezeitraum pflanzen (Früh-bis Spätsorten).
- Falls möglich, bei den Baumformen und ‑unterlagen mehr auf Halb- und Hochstämme zurück greifen, Niederstämme, Buschbäume und Säulenobst bleiben klein und haben weniger Blüten und Früchte.
- Vor allem aber Obstbaumpflege in qualifizierten Kursen lernen. z.B.
http://www.seewalde.de/pdf/ObstbauSeminarSeewalde2017.pdf
http://www.obstbaumschnittschule.de
PEACE of LAND — permakultureller Gemeinschaftsgarten Berlin Prenzlauer Berg: www.peaceof.land - Obstbaumpatenschaften übernehmen, z.B. für die Immenallee unserer Kollegen von der Mellifera Regionalgruppe Sachsen Anhalt: http://kleinfolgenreich.de/projekte/immenallee/
oder in Brandenburg: https://www.aepfelundkonsorten.org/
Text & Foto: Rainer Kaufmann, Netzwerk Blühendes Berlin
Es folgt: Tip N°7 — Großes Springkraut (Impatiens noli-tangere)
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