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Lieber schwärmen als Königinnen vergewaltigen

Ah, du bist Bienenzüchter?“ Diese Frage erreicht mich oft, wenn in einem Gespräch die Bienen zu sum­men begin­nen. Nein, ich bin Imkerin und hal­te die Bienen. Sie sind wil­de Tiere, und kön­nen alles allei­ne, eine Königin gibt das Zepter an die nächs­te wei­ter. Ich gebe ihnen einen Raum, küm­me­re mich um ihr Wohlergehen und bekom­me neben dem puren Vergnügen auch noch ihre Überschüsse an Honig, Wachs und Propolis.

Und gera­de jetzt zu Beginn der Schwarmzeit unter­schei­den sich die Handlungsweisen von Bienenzüchtern und Bienenhaltern.
Der Frühling mit stei­gen­den Temperaturen und Blütenmeeren lässt die Völker wach­sen und die Vorbereitungen zu ihrer natür­li­chen Teilung ange­hen. Und auch die Imker gehen schwan­ger in den Vorbereitungen, wie sie die Bienenvölker vermehren. 

Es gibt einen gro­ßen Handlungsspielraum: Von Zucht und Ablegerbildung, wel­che die am häu­figs­ten prak­ti­zier­te Vermehrung ist, bis zur Teilung abge­stimmt mit dem Schwarmtrieb, d.h. das Teilen der Bienenvölker mit Vorschwärmen und Schwärmen. Die Imker, die mit dem natür­li­chen Vermehrungstrieb han­deln, beob­ach­ten die eige­nen Völker, wel­che sich tei­len wol­len. Verknüpfen sich unter­ein­an­der, um die Zeitpunkte der Schwärme zu kom­mu­ni­zie­ren, aus­ge­zo­ge­ne Bienenschwärme ein­zu­fan­gen, Vorschwärme oder Ableger zu bil­den, wenn es orga­ni­sa­to­risch nicht so spon­tan geht. Imkern mit dem Schwarmtrieb ent­spricht den Demeter-Richtlinien und ist auch in gro­ßem Maßstab praktizierbar.

Das Bienenzüchten beginnt, wenn die mensch­li­che Kontrolle über die Vermehrung zunimmt. Bienenzucht mit künst­li­cher Befruchtung unter­schei­det sich immens im Zuchtvorgang ande­rer Tiere — doch dazu später.
Die Kontrolle über die Fortpflanzung der Bienen beginnt hier: Das Schwärmen ver­hin­dern, indem die Weiselzellen der jun­gen Prinzessinnen gebro­chen wer­den. (Ein Volk, das nicht schwärmt, pro­du­ziert mehr Honig).
Die Steigerung für andau­ern­den hohen Hongertrag: Die Königin töten und eine neue jun­ge star­ke Königin bei­set­zen. Das lässt sich an eige­nen Völkern prak­ti­zie­ren. Einem Volk die Königin ent­neh­men, was sie vie­le Weiselzellen anle­gen lässt, und mit den schlüp­fen­den Prinzessinnen dann Ableger machen oder sie ande­ren Völkern bei­set­zen. Um Königinnen einer bestimm­ten Rasse bei­zu­set­zen, gibt es Züchtungsorte, die sich auf Inseln oder abge­grenz­ten Gebieten befin­den, wo die Königin nur auf eine Rasse bestimm­te Drohnen zur natür­li­chen Begattung tref­fen kann.
Andere Wichtigkeiten als der Honigertrag las­sen auch zu Zuchtmethoden grei­fen: Die Vermehrung von star­ken und robus­ten Völkern macht Sinn. Unser Wunschziel nach einer Biene, die der Umgebung ange­passt ist und sich gegen­über der Varroamilbe behaup­ten kann lässt Vermehrungspraktiken in die­se Richtung begrüßen.

Allerdings über­schrei­tet die­se Art der Bienenzüchtung Grenzen der Ethik: Der Gipfel des kon­trol­lier­ten Eingriffs ist das Einsetzen einer künst­lich besam­ten Königin. In einer Apparatur wird sie hand­werk­lich befruch­tet: Das Sperma wird aus den Drohnen gedrückt und in einer Spritze gesam­melt. Die betäub­te Königin wird in einer durch­sich­ti­gen Röhre in siche­rer Position gehal­ten. Zwei Haken öff­nen ihren Stechapparat und eine Spritze führt ihr den Samen ein. Danach wird sie in einem Kuvert per Post in eine völ­lig ande­re Region ver­schickt und dem Volk zuge­führt. Dieses wur­de vor­her der Brut beraubt, um es wil­lig zu machen. Statt zu ster­ben, wird es dann lie­ber die Adoption der jun­gen, leis­tungs­star­ken Königin akzeptieren. 

Bis vor hun­dert Jahren wur­de das sozia­le Gefüge des Bienenstockes nie zer­stört. Die Königin paar­te sich in einem tra­di­tio­nel­len Ritual mit einer Reihe ein­hei­mi­scher Drohnen, die auf die­se Weise männ­li­che Vielfalt in die rein weib­li­che Abstammung brach­ten. Bei der moder­nen Bienenzucht wird die Königin nach einem Jahr rou­ti­ne­mä­ßig getö­tet und durch eine spe­zi­ell gezüch­te­te ersetzt. Die Überlegung bei der Königinnenzucht ist, Bienenmütter mit guten Eigenschaften mit aus­ge­wähl­ten Drohnen paa­ren zu kön­nen, um extrem emsi­ge Bienen zu erhal­ten, die wie­der­um viel Honig sam­meln und für höhe­re Erträge sor­gen. Allein aus Gründen des Profits mischt sich der Imker also in das natür­li­che Paarungsverhalten ein, das einst bei den ein­zel­nen Bienen, die von einer bun­ten Vielfalt an Drohnen abstamm­ten, eine eben­so bun­te Vielfalt an Eigenschaften gewähr­leis­tet hat. Diese gene­ti­sche Mannigfaltigkeit, wie sie inner­halb eines Bienenstocks erzeugt wur­de, ist heu­te durch kurz­sich­ti­ge Wirtschaftsinteressen beein­träch­tigt.“*1 schreibt Horst Kornberger in sei­nem Buch „Weltwunder Bienenstock“, in dem er zum Thema Bienensterben einen neu­en Zugang ent­wi­ckelt und die­sen in Zusammenhang unse­res Umgangs mit der Biene setzt.

Er beschreibt wei­ter, dass die­ses Eingreifen nicht mit der Züchtung ande­rer Tiere wie Kühe, Hunde oder Pferde zu ver­glei­chen ist. Das Austauschen der Königin gleicht der Transplantation der Fortpflanzungsorgane eines Lebewesens. Es ist ein tie­fer Eingriff in den Bien, die Summe aller Bienen als Ganzes. Die Verbindung einer Königin und ihres Volkes ist essen­ti­ell, ihre Geruchsstoffe die­nen als Kommunikationsmittel ihres Gesundheitszustandes und geben jedem Volk sei­nen indi­vi­du­el­len Geruch, wel­cher sie ver­knüpft und als ein­an­der zuge­hö­rig kom­mu­ni­ziert. Alle Jahre ein Volk mit einer neu­en gene­ti­sche Linie zu kreu­zen, setzt es unter Stress und lässt damit kei­ne gene­ti­sche Entwicklung zu, die sich den Außenbedingungen der Umgebung anpas­sen kann.

Puh. Diese Informationen stär­ken mei­ne intui­ti­ve Bejahung des Imkerns mit dem Schwarmtrieb. Die Erlebnisse mit den schwär­men­den Völkern gehö­ren zu mei­nen schöns­ten und ich möch­te jeder Bienenprinzessin statt die­ser Vergewaltigung ihr den Hochzeitsflug gön­nen. Das Aufsteigen in die Lüfte zum Drohnensammelplatz, wo sie sich im Flug(!) mit Dutzenden von Drohnen paart. Bestückt mit die­sem Samen, dem Erfahrungsschatz der umlie­gen­den Völker, kehrt sie wie­der zurück und wird in den kom­men­den 3–5 Jahren mit zehn­tau­sen­den Halbgeschwistern ihrem Volk das Leben schen­ken. Ich habe einen Traum: Diese Sexakrobatik und Legeleistung einer Königin jeden Alters ist eine Superlative und soll­te wie­der Standard im Naturzirkus werden!

Das Bienensterben ist gera­de Anlass, die Umgangsweisen mit ihnen zu über­prü­fen. Die Bienen sind unge­heu­er anpas­sungs­fä­hig — und es sieht fast so aus, als kön­ne die­se Anpassungsfähigkeit nur der Mensch überfordern.
Mich bringt es immer wie­der zum Nachsinnen, wie Nutzen, Wissen und Gefühl sich ver­ein­ba­ren las­sen und ein guter Umgang mit den Bienen zu fin­den ist. Ich ken­ne so vie­le Imker, die einen engen emo­tio­na­len Bezug zu ihren Bienen haben, sie gern haben und ihre Völker am Leben hal­ten wol­len, aber gleich­zei­tig einen wis­sen­schaft­lich nüch­ter­nen Umgang mit ihnen pfle­gen. Nur 4% der Imker in Deutschland hal­ten über 25 Völker, 96% aller Imker betreu­en bis 25 Völker, was als Hobby oder Nebenerwerb beschrie­ben wird.*2 Wenn das Brüsten mit dem höchs­ten Honigertrag abge­löst wird durch ande­re Qualitäten, kann jeder Imker sei­ne Handlungsweise mit Intellekt und Gefühl neu aus­rich­ten. Ich suche nach Wegen, wie die­ser Umgang mit den Bienen von Honigproduziermaschinerie zu einem Miteinander auf Augenhöhe mit ihnen wer­den kann. Sowieso bes­ser, die Bienenkästen hoch­zu­stel­len. Zwei bis fünf Meter über der Erde ist ihre Lieblingshöhe.*3

Und wer Bienen hält, ist schnell mit der Umgebung ver­knüpft. Wir sind nicht allei­ne hier — es gibt ja noch die gan­zen Honigesser!
Für ein gutes Immunsystem und die Stärkung eines Bienenvolkes sind ja auch ande­re Komponenten wich­tig. Gesunde, viel­fäl­ti­ge Nahrung in der Nähe anstatt Pestizideinsatz und Monokulturen. Die Industrielle Landwirtschaft kann nicht schnell genug öko­lo­gi­sche Schritte gehen, um das Insektensterben abzu­wen­den und die Bienen gut zu ernäh­ren. Einsätze im poli­ti­schen und unter­neh­me­ri­schen Umfeld, wo es mög­lich ist. Neben die­sen Veränderungen von oben las­sen sich von unten im eige­nen Trampolin die ers­ten Sprünge machen. 

In der Bienenhaltung oder auch ohne Bienen im all­täg­li­chen Leben.
Dort wo jeder gera­de steht und fliegt, ist der idea­le Beginn.

10 Punkte Plan — Bienen ret­ten – alle ande­ren Insekten und die Welt gleich mit.


Wenn du einen Bienenschwarm siehst — ruf an! Wir fan­gen ihn ein!
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Deutschlandweit: www.schwarmboerse.de
Wir haben auch eine inter­ne Berliner Schwarmbörse, die wir über unse­re Mellifera Berlin Mailingliste kommunizieren.

 

Text: Silke Meyer, sal­zund­ho­nig
Foto/Filmstill: Patrick Lindhof, “Das Summen in Melissas Bauch” Schwarmeinzug in die Skulptur

Quellen

1) „Weltwunder Bienenstock — Von der Bienenkrise zur Ökologie des Mitgefühls“ Horst Kornberger, S.28, 2017, Futurum Verlag (eng­li­sches Original „Global Hive. Bee cri­sis and com­pas­sio­na­te eco­lo­gy“ 2012, Integral Arts Press)

2) Imkerei in Deutschland, Deutscher Imkerbund, Stand 2017

3) „Auf der Spur der wil­den Bienen“, Thomas D. Seeley, 2017, Fischer Verlag (eng­li­sches Original „Following the wild bees“ 2016)

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