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Calypso im Kleingarten, Neonicotinoide und die Hummellobby – Prof. Randolf Menzel im Interview

Herr Menzel, Sie for­schen seit Jahrzehnten zu Gehirn und Nervensystem der Honigbiene. Im November 2016 haben Sie die Regionalgruppe im Berliner Abgeordnetenhaus im Rahmen einer Veranstaltung der Grünen besucht und aus Ihrem Buch die „Intelligenz der Bienen“ gele­sen. Herzlichen Dank dafür! Wir wis­sen seit­dem, dass Bienen die mensch­li­che Stimme nicht als Ton wahr­neh­men kön­nen und sie in der Lage sind zu abs­tra­hie­ren. Mit eini­gen Aussagen haben Sie uns beson­ders über­rascht und teil­wei­se auch scho­ckiert. Diese möch­ten wir noch ein­mal ver­tie­fen und Ihnen fol­gen­de Fragen stellen:

Ein gro­ßer Teil der Diskussionsrunde bezog sich auf den Einsatz von Pestiziden. Bemerkt haben Sie, dass Rückstände von Neonicotinoiden in Honig ein Problem dar­stellt, das gar nicht aus­schließ­lich nur länd­li­che Regionen betrifft. Auch wir Stadtimker sei­en davon betrof­fen. Grünflächenämter und Kleingärtner/innen wür­den häu­fig zu Pestiziden aus dem Baumarkt grei­fen und die­se oft viel zu stark dosiert ein­set­zen, so z.B. das Unkrautvernichtungsmittel RoundupReady. Wird das Ausbringen von Neonicotinoiden in der Stadt zu wenig dis­ku­tiert? Ist mit Rückständen von z.B. Thiacloprid auch im Stadthonig zu rech­nen? Und gibt es Studien dazu?

Menzel: Ich ken­ne kei­ne sys­te­ma­ti­schen Studien zum Auftreten von Thiacloprid im Stadthonig. Calypso, in dem Thiacloprid die wir­ken­de Substanz ist, wird teil­wei­se kräf­tig in Schrebergärten ein­ge­setzt. Man soll­te also ein­mal über­prü­fen, ob die­ses Neonikotinoid im Honig von Bienen ent­hal­ten ist, die in Schrebergärten sam­meln. Glyphosat-hal­ti­ge Herbizide (Roundup) wer­den nicht nur in Schrebergärten ein­ge­setzt son­dern auch von der Bahn zum Freihalten von Gleisanlagen. Auch hier wäre es not­wen­dig, den Honig zu über­prü­fen. In länd­li­chen Gebieten ist dies ja ein sehr gro­ßes Problem.

Eine der Bedrohungen, der die Honigbiene im länd­li­chen Raum aus­ge­setzt ist, sind Monokulturen, bekannt für ihr kurz­zei­tig rie­si­ges Angebot an Pollen und Nektar mit anschlie­ßen­dem Nahrungsnotstand. Die EU hat des­we­gen eine Greening-Initiative aus­ge­ru­fen und sub­ven­tio­niert blü­hen­de Ackerrandstreifen. Imker/innen und die für das soge­nann­te Bienensterben inzwi­schen stark sen­si­bi­li­sier­te Öffentlichkeit freu­en sich im Regelfall über die­se Maßnahmen.
Sie haben zwei inter­es­san­te Aspekte ange­bracht, die die­se Maßnahmen in einem ande­ren Licht erschei­nen las­sen. Erstens sei­en die­se Blühstreifen zwar gut gemeint, aber kon­tra­pro­duk­tiv in ihrer Wirkung, denn: Die Blühstreifen befän­den sich zumeist neben mit Pestiziden stark behan­del­ten Flächen. Im Laufe der Jahre rei­cher­ten sich durch Auswaschung und über das Grundwasser Pestizide auch im Blühstreifen an. Da Blühstreifen zumeist das ein­zi­ge attrak­ti­ve Nahrunsangebot vor Ort dar­stell­ten, bedien­ten Insekten sich hier beson­ders aus­gie­big und näh­men somit star­ke Dosen an Pestizidrückständen auf.
Provokativ gefragt: Wäre es für Insekten gesün­der, es gäbe die Blühstreifen nicht?

Menzel: Um auf Ihre letz­te Frage zuerst zu ant­wor­ten: Das kommt dar­auf an. Blühstreifen sind dann von ent­schei­den­dem Vorteil, wenn wei­te­re Maßnahmen damit kom­bi­niert wer­den. Dazu gehört die Fruchtfolge in deren Verlauf meh­re­re Jahre auf den Einsatz von Insektiziden und ande­ren Pestiziden in den angren­zen­den Flächen ver­zich­tet wird. Außerdem muss der vor­beu­gen­de Einsatz von Neonikotinoiden unter­las­sen wer­den und der Einsatz nur im aku­ten Fall vor­ge­se­hen wer­den. Jedenfalls kann man nicht erwar­ten, dass Nektar und Pollen von Wildpflanzen auf Blühstreifen frei von Neonikotinoiden ist.

Die Varroa gilt als eine der Hauptursachen für hohe Völkerverluste. Sie sehen in der Varroa in vie­len Fällen das Schlussglied einer Kette nega­ti­ver Einflüsse, nicht jedoch die allei­ni­ge, zen­tra­le Todesursache. Was hal­ten Sie für die größ­ten Belastungen für ein Bienenvolk?

Menzel: Mit jeweils getrenn­ten Belastungen kom­men Bienenvölker mit­un­ter recht gut zurecht. In der Fülle von Faktoren, die die Bienengesundheit beein­träch­ti­gen, hal­te ich in der Tat die Pestizide für die schwer­wie­gends­ten Faktoren, aber auch sie wir­ken vor allem dann so mas­siv, wenn sie in Kombination mit wei­te­ren Belastungen auf­tre­ten. Dazu gehört zwei­fel­los die Immunschwächung, die dann auf­tritt, wenn Varroa-über­tra­ge­ne Viren beson­ders effek­tiv infi­zie­ren. Insofern kann Varroa ein Belastungsfaktor sein. Da aller­dings Varroa beson­ders leicht fest­ge­stellt wer­den kann, wäh­rend Viren- und Pestizidbelastungen kaum erfasst wer­den, füh­ren Korrelationen mit dem Auftreten von Varroa leicht in die Irre. Solche vor­der­grün­di­gen Korrelationen wer­den dann fälsch­lich als kau­sa­le Zusammenhänge inter­pre­tiert. Das ist so, als ob man den ver­lo­ren gegan­ge­nen Schlüssel nur unter der Straßenlaterne sucht.

Sie haben erwähnt, dass Sie vor eini­gen Jahrzehnten von einem gro­ßen Chemie-Unternehmen ange­fragt wur­den, um über die Auswirkungen von Pestiziden auf die Honigbiene zu for­schen. Als Ihre Studien zeig­ten, dass hier sehr wohl nega­ti­ve Einflüsse zu ver­zeich­nen sind, ver­schwand Ihre Auftragsarbeit hin­ter ver­schlos­se­nen Schränken. Wie sind Sie damit umgegangen?

Menzel: In dem beson­de­ren Fall war ich durch einen von mir nicht gründ­lich genug stu­dier­ten Vertrag gebun­den und konn­te wei­ter nichts unter­neh­men. Allerdings habe ich dar­aus gelernt kei­ne Vereinbarungen mit bestimm­ten phar­ma­zeu­ti­schen Unternehmungen zu treffen.

In Frankreich wer­den Neonicotinoide mit September 2018 ver­bo­ten, Deutschland ver­hält sich in der Debatte auf euro­päi­scher Ebene hin­ge­gen eher neu­tral. Befürworten Sie ein Verbot der Neonicotinoide? Sie mein­ten, dass es vor allem wich­tig sei, das Beizen von Saatgut zu ver­bie­ten, die Veröffentlichung von Spritzprotokollen gesetz­lich zu ver­an­kern und eine 5‑Jahresfruchtfolge wie in der Schweiz ein­zu­füh­ren, die wohl zur Folge hät­te, das nur ein Drittel der der­zeit auf deut­schen Äckern aus­ge­brach­ten Neonicotinoide not­wen­dig wäre.

Menzel: Das zu min­des­tens vor­über­ge­hen­de völ­li­ge Verbot von Neonikotinoiden (ins­be­son­de­re auch der neu­en, noch nicht in Europa zuge­las­se­nen) hal­te ich für drin­gend gebo­ten, um eine Wahrnehmung für die­se rie­si­ge Umweltkatastrophe zu erzeu­gen. Ob es aller­dings auf die Dauer sinn­voll ist, die­se Pflanzenschutzmittel ganz zu ver­bie­ten, bezweif­le ich, denn es wird sich her­aus­stel­len, dass unter sehr streng kon­trol­lier­ten Bedingungen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln unaus­weich­lich ist. Allerdings soll­te dann die Anwendung nicht von den Landwirten allein durch­ge­führt wer­den dür­fen, son­dern von einer eigens ein­ge­rich­te­ten staat­li­chen Institution, die nicht von der erzeu­gen­den Industrie beein­flusst wird.

Sie haben auch ange­spro­chen, dass es schwie­rig sei, den Gesundheitszustand des Ökosystems am Ergehen der Honigbiene zu mes­sen, denn die­se kön­ne in der Gesamtheit des Biens nega­ti­ve Einflüsse gut puf­fern. Zudem habe die Honigbiene oft eine/n Imker/in hin­ter sich, der/die eben­so dem Wohlergehen der Biene bei­hilft. Bien samt Imker/in stell­ten im Optimalfall eine aus­ge­spro­chen resi­li­en­te, also wider­stands­fä­hi­ge Einheit, dar. Wesentlich schwie­ri­ger hät­ten es hier Wildbienenarten und v.a. Hummeln. Warum hal­ten Sie gera­de Hummeln für beson­ders anfällig?

Menzel: Es hat sich gezeigt, dass die Aufzucht von Hummelköniginnen durch die im Pollen ent­hal­te­nen Insektizide beson­ders stark beein­träch­tigt ist. Dies führt dazu, dass im dar­auf fol­gen­den Jahr die Überlebenschancen von neu­en Hummelkolonien außer­or­dent­lich stark gefähr­det sind. Der Verlust von Hummelkolonien ist daher ein beson­ders sen­si­bler Indikator für die öko­lo­gi­schen Zustände. Allerdings haben Hummeln kei­ne Lobby und ihr Verlust wird kaum wahr­ge­nom­men. Ich bin aber auch der Meinung, dass, mit geeig­ne­ten Methoden, die sub­le­ta­len (fast töd­li­chen, Anm. d. Red.) Schädigungen gan­zer Bienenkolonien sehr wohl erfasst wer­den kön­nen, und dass dies ein wich­ti­ger Ansatzpunkt ist, die Belastung der Umwelt durch Pestizide zu erfassen.

In Ihrem aktu­el­len Forschungsprojekt, dem Umweltspäher, haben Sie her­aus­ge­fun­den, dass bereits klei­ne Mengen an Thiacloprid zu einer Veränderung im Tanzverhalten der Bienen füh­ren. Thiacloprid gilt als „nicht bie­nen­ge­fähr­lich“ und ist in Deutschland noch zuge­las­sen. Wie geht das zusammen?

Menzel: Die jetzt gel­ten­den Vorschriften zur Erfassung von Schädigungen des Verhaltens und der Gesundheit ein­zel­ner Bienen und gan­zer Bienenvölker beru­hen aus­schließ­lich auf der Bestimmung der leta­len (töd­li­chen, Anm. d. Red.) Dosen. Subletale Schädigungen wer­den nicht erfasst. Insofern kann sich die phar­ma­zeu­ti­sche Industrie sogar auf die gel­ten­de Rechtslage bezie­hen und pro­pa­gie­ren, dass der Einsatz von z.B. Calypso nicht bie­nen­ge­fähr­lich sei. Die zustän­di­ge euro­päi­sche Institution EFSA berät seit Jahren, wie die­se völ­lig unak­zep­ta­ble Situation geän­dert wer­den kann. Deutschland spielt in die­sem Prozess lei­der sowohl mit sei­nen fach­li­chen wie sei­nen poli­ti­schen Institutionen eine sehr trau­ri­ge Rolle. Wie schon in der Vergangenheit sind die­se vor allem ver­hin­dernd und nicht för­dernd tätig.

Herr Menzel, herz­li­chen Dank für Ihre Antworten!

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Prof. Randolf Menzel ist Leiter des neu­ro­bio­lo­gi­schen Instituts der FU Berlin. Er forscht seit vie­len Jahrzehnten zum Nervensystem der Bienen und erhielt für sei­ne Arbeit u.a. 1991 den Leibniz-Preis. Sein Buch „Die Intelligenz der Bienen“ ist 2016 erschienen.

Die Forschungsergebnisse von Randolf Menzel bil­den eine wich­ti­ge wis­sen­schaft­li­che Basis für die Beteiligung des Mellifera e.V. im Prozess um das Verbot von Neonicotinoiden. Syngenta, Bayer und BASF ver­klag­ten 2014 die EU-Kommission, die im Herbst des Vorjahres ein Verbot von drei Wirkstoffen aus der Gruppe der Neonicotinoide erlas­sen hatte.

Weitere Informationen zur Initiative des „Bündnis zum Schutz der Bienen“, zum Stand des Prozesses am EuGH und Spendenmöglichkeit unter:
www.mellifera.de/initiativen/bienen-schuetzen/buendnis-zum-schutz-der-bienen.html
www.mellifera.de/ueber-uns/presse/mitteilungen/neonicotinoide-am-europaeischen-gerichtshof-zwischenbilanz.html

Informationen zum Umweltspäher: www.mellifera.de/ueber-uns/presse/mitteilungen/bienen-als-umweltspaeher-crowdfunding.html

Interview: Esther Nieft · Bild: Silke Meyer

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